Nachdem ich zwanzig Minuten vor der falschen Tür stand, erlöst mich Savannah, in dem sie ihren Kopf, einen Meter weiter, aus der Tür streckt. Und da steht sie nun vor mir – eine zarte, liebe Gestalt, die mich mit einem herzlichen Lächeln empfängt. Da Savannah in ein paar Stunden noch einige Pläne hat, legen wir auch direkt los!
Name: Savannah
Alter: 21
Beruf: Studentin / Kunstgeschichte & Kommunikationswissenschaften
Herkunft: Deutschland, Berlin / USA, Chicago
Deine Mama kommt aus Chicago, was hat sie nach Deutschland verschlagen?
Sie ist mit 20 Jahren als Tänzerin/Showgirl/Model nach Europa gekommen und hat lange Zeit in Paris gelebt und ist deshalb auch total europäisch geprägt. Sie hatten mit den Staaten nicht mehr all zu viel zu tun. Wir waren aber trotzdem einmal im Jahr immer einen Monat da, um unsere Großeltern zu besuchen.
Welche Rolle spielte es, dass deine Mutter eine Schwarze Frau ist?
Hat sich das irgendwie geäußert in deiner Erziehung oder Wahrnehmung?
Meine Großeltern sind beide in den Südstaaten aufgewachsen, haben also sehr viel von der Trennung von Schwarzen und Weißen mitbekommen. Als sie nach Chicago gekommen sind, haben sie eher in einer bessergestellten Gegend gelebt. Trotzdem wurde zu dieser Zeit darauf geachtet nicht ins „weiße Viertel“ zu gehen, oder sich ordentlich anzuziehen, wenn man in die Nähe kam. Ich glaube, das hat meine Mutter schon ziemlich geprägt, auch, weil das Schwarzsein in ihrer Erziehung, durch die Vergangenheit meiner Großeltern, immer etwas negativ behaftet war. Sie hat aber auf jeden Fall amerikanische Feiertage mit nach Berlin gebracht, uns mit in die Schwarze Kirche genommen und beigebracht stolz darauf zu sein, wer wir sind. Ich glaube aber, dass sie immer ein etwas ambivalentes Verhältnis zu ihrem amerikanischen Hintergrund oder speziell zu dem Schwarzsein hatte. Je älter ich geworden bin, umso mehr Kleinigkeiten habe ich da bemerkt, die darauf hingewiesen haben. Es war ihr auch immer sehr wichtig adrett gekleidet zu sein und aufzutreten, ich bin mir nicht sicher, ob es nur etwas mit dem Ballett zu tun hatte oder ob es auch andere Gründe hatte. Bis zum heutigen Tage trägt sie z.B. immer ihr Haar streng nach hinten und zeigte nie ihre Locken.
Ich selbst setze mich auch erst mit dem ganzen Thema „Herkunft“ erst seit den letzten 5-6 Jahren bewusst auseinander und versuche mittlerweile einen ganz eigenen Stolz dafür zu entwickeln. Stolz … das ist auch immer so ein blödes Wort … Vielleicht eher einen anderen Approach dazu zu finden, dass ich Schwarz bin, wo man früher vielleicht eher angepasster sein wollte, an die Berliner Gesellschaft.
Beschreibst du dich selbst als eine Schwarze Frau?
Ich beschreibe mich immer damit, dass ich Deutsche mit afro-amerikanischem Hintergrund bin, und würde mich selbst nicht als Schwarze bezeichnen. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass immer, wenn ich gesagt habe, dass ich Schwarz bin, alle in meinem Umfeld gesagt haben, dass ich es überhaupt nicht bin. Man wird immer wieder damit konfrontiert, was für die anderen Schwarzsein bedeutet und sobald man in dieses Klischee nicht reinpasst, ist man es angeblich nicht. Vielleicht schämt man sich auch irgendwie, während man es sagt, möglicherweise möchte ich dadurch etwas verleugnen? Vielleicht denkt man auch selbst zu sehr in Klischees?
Früher in der Schulzeit hatte ich immer einen Hass dagegen, wenn Menschen als Schwarz bezeichnet wurden. Mein Argument in Klassendiskussionen war auch immer, dass dieses Wort alles in einen Topf wirft und dadurch keine Unterschiede mehr zulässt. Ich bin immer dafür, dass man sich mehr Zeit dafür nimmt, genauer zu sein und die Dinge nicht zu sehr zu verallgemeinern, weil das eine Masse kreiert, die meiner Meinung nach nicht existiert.
Welchen Einfluss hatte deine Herkunft und dein Erscheinungsbild vorher, bevor du dich bewusst damit befasst hast?
Ich bin zwar auf eine deutsch/amerikanische Schule gegangen, auf der man auch das amerikanische Diploma macht, aber wir waren trotzdem im Jahrgang nur 3-4 Dunkelhäutige und das waren auch nicht nur Amerikaner. Mit denen war ich auch nicht befreundet, deswegen hatte ich auch nie wirklich Schwarze Freunde. Ich glaube, es wäre schon etwas anders für mich gewesen, wenn ich welche gehabt hätte, weil ich mich dadurch anders hätte sozialisieren können. So war ich aber nie wirklich in einem Freundeskreis, wo das wirklich thematisiert wurde, denn dort war ich immer nur das „amerikanische Mädchen“. Ich glaube, dass mich der Vergleich zu meinen Geschwistern irgendwann ein bisschen verändert hat. Ich habe eine jüngere Schwester und einen älteren Bruder und beide sind etwas dunkler als ich. Meine Schwester hatte einen ganz anderen Bezug dazu, sich mit ihrem „Schwarzsein“ auseinanderzusetzen. Sie sagte z. B. immer zu mir: „Savannah, du bist die weißeste Schwarze, die ich kenne!“, weil ich mich beispielsweise für klassische Kunst interessiere oder viel lieber die Ärzte, Green Day oder Billy Talent gehört habe. Ich hatte als kleines Mädchen auch nie wirkliche Vorbilder, ich habe da aber auch nie bewusst nach Hautfarben geguckt. Mittlerweile suche ich mir da mehr – ich würde nicht sagen Vorbilder, aber Leitbilder, an denen man sich orientieren kann, sei es politischer Natur, oder ganz platt gesagt, alles, was Lifestyle betrifft.
Als ich im Kindergarten war, hatte ich tatsächlich eine Phase, in der ich etwas sauer war, dass ich so aussah, wie es aussah. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich jemals gemobbt wurde, aber es gibt eine Situation, an die ich mich erinnere: Ich und meine damalige beste Freundin haben Tassen bemalt und wir sollten die Familie darauf malen. Ich habe meine Familie dunkel gemalt und sie fragte mich ganz naiv: „Warum seid ihr denn so braun, seid ihr etwa in den Matsch gefallen?!“ Das ist mir sehr im Gedächtnis geblieben, so sehr, dass ich, glaube ich, eine kleine Scham dazu entwickelt habe. Die aber zum Glück nicht lange anhielt, denn wir haben sowas total offen in der Familie thematisiert. Damals wollte ich vielleicht schon eher aussehen, wie die Anderen, dann war es mir irgendwann egal und heutzutage sehe ich eher, was man daraus alles machen kann – aus diesem „andersartig“ aussehen.
Als man anfing auszugehen, wenn man dann angesprochen wurde, war immer das erste Interessante das „Exotische“ für andere. Dann stellt man sich natürlich selbst die Fragen: Was ist dieses Exotische? Was ist das für ein Klischee? Wie exotisch ist man wirklich, wenn man halb Amerikanerin ist und halb Deutsch? Und was heißt exotisch überhaupt? Solche Gedanken habe ich mir persönlich gemacht, aber es ist bis zum heutigen Tag keine SUPER bewusste Sache, das passiert eher unterschwellig. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich wirklich damit auseinandersetzen muss, das liegt aber vielleicht an der Örtlichkeit, in der ich aufwuchs, denn in Berlin, war ich eine von vielen und da war man etwas anonymer.
Bist du Deutsche?
Ich würde sagen, ich bin AUCH Deutsche! Da bei uns in der Familie immer superpräsent war, dass wir beide Pässe haben. Von der politischen Seite her gesehen, würde ich ebenfalls Deutsche & Amerikanerin sagen.
Was bedeutet Deutschsein für dich?
Gar nicht diese ganzen Klischees, wie Pünktlichkeit oder Ähnliches, sondern in gewisserweise sagen zu können, was man möchte. Ob es im Freundeskreis oder auf einer öffentlicheren politischen Basis ist. Und die Freiheit, jeden Weg einschlagen zu können, den man sich wünscht.
Vielen Dank für deine ehrlichen Worte liebe Savannah!