Letztes Jahr hat es endlich geklappt: Ich traf in Berlin auf Salena, eine junge Frau, die ich schon viele Jahre über’s Netz kannte, doch wir hatten es nie auf die Reihe bekommen uns Face to Face zu sehen. Ich konnte also endlich der Frau gegenüber stehen, deren künstlerische Arbeit ich sehr zu schätzen weiß und sie gleichzeitig noch mit privaten Fragen belästigen, die unser Aufeinandertreffen noch viel persönlicher machten :D … Das klingt doch ziemlich gut, oder nicht?  

 

 

Wer bist du, woher kommst du und was machst du?

Ich bin Salena, bin Anfang dreißig, wurde in Berlin geboren und arbeite hier als Illustratorin und Game Artist.

salena2_photo_by_dominique_booker

 

 

Woher stammen deine Eltern?

Meine Mutter ist Berlinerin und mein Vater kommt aus Ghana.

 

Was hat deinen Vater nach Deutschland verschlagen?

Mein Vater und sein älterer Bruder sind wegen des Studiums ins Ausland gegangen. Mein Vater, ca. 19 Jahre damals, ging nach Deutschland und mein Onkel in die U.S.A.

Er hat hier Lebensmitteltechnologie studiert und wollte ursprünglich mit seinem Abschluss zurück nach Ghana gehen, um sich mit einer Brauerei selbstständig zu machen. Damit ließ sich in seiner Heimat damals gutes Geld verdienen. Doch dann lernte er meine Mutter auf einer Geburtstagsfeier kennen. Sie haben sich verliebt, später geheiratet und dann kam ich als Wunschkind auf die Welt. Sein Lebensmittelpunkt war also hier. Somit ist er bis heute in Deutschland geblieben.

 

Konntest du schon mal in dein Vaterland, nach Ghana, reisen?

Können schon, aber ich habe es bisher nicht gemacht, weil es mir nicht leicht fiel.

In all den Jahren, die mein Vater in Deutschland gelebt hat, hat er seine Heimat ein paar Mal besucht. Er hat das jedoch immer allein getan. Ich habe also die Verbindung zu Ghana nie wirklich gehabt. Als Kind denkt man über solche Dinge nicht nach. Irgendwann hat man sich dann aber doch die Frage über den anderen Teil seiner Herkunft gestellt. Das war dann auch immer ein sensibles Thema zwischen mir und meinem Vater. Mittlerweile habe ich Antworten auf die Frage, warum er mich nie mitgenommen hat, auch bekommen. Klar, die Zeit kann ich damit nicht zurückdrehen und die Tatsache, dass mir immer etwas gefehlt, kann ich dadurch auch nicht ungeschehen machen. Ich kenne viele andere Mischlinge, bei denen es genauso war oder immer noch ist.

Aber das ist jetzt eine Sache, die ich selbst in die Hand nehme. Mir war immer bewusst, dass es wahrscheinlich die emotionalste Reise in meinem Leben wird. Jetzt fühle ich mich bereit dafür.

 

 

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Wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

Als Kind habe ich, wie wahrscheinlich fast alle Kinder, super gerne Zeichentrickfilme und Cartoons geschaut. Ich kannte sie alle! Und ich habe super gerne und gemalt und gezeichnet. Also war mein Kindheitstraum, Zeichentrickfilmzeichnerin zu werden.

Später im Kindergarten und in der Schule ist den Erziehern und Lehrern aufgefallen, dass ich gut zeichnen konnte. Da wurde ich also ermutigt, dran zu bleiben, was ich auch eine Weile tat. Nach dem Abi habe ich mich informiert, wie es mit dem Bildungsweg damit für mich weitergehen könnte. Aber ich hatte immer Angst vor dem Anfertigen einer Mappe, was man für künstlerische Studiengänge eben vorweisen muss. Also hab ich es gelassen. In der Zeit waren dann auch einfach andere Dinge interessant. Das Leben an sich. Ich habe nach dem Abi viel gejobbt, eher in der Musikbranche und nebenbei hier und da ein paar Aufträge für CD-Cover, Plakate oder Logos etc. gemacht. 2009 habe ich dann in der Firma angefangen, bei der ich heute als Game Artist arbeite. Und nebenbei mache ich immer noch ab und zu Aufträge, bei denen ich Artwork für unterschiedliche Branchen anfertige.

 

Für jemanden, der davon überhaupt keine Vorstellung hat, was da passiert:
Wie kann man sich deinen Arbeitsablauf vorstellen?

Ich arbeite in einem Entwicklungsteam für Games. Dort sind wir mehrere Artists, die das visuell umsetzen, was ein Game-Designer vorher konzipiert hat. Sie denken sich also Spielethemen und Abläufe ab und wir liefern dafür alles, was visuell gebraucht wird: Charaktere, Objekte, Hintergrundbilder etc. Thematisch sind dem keine Grenzen gesetzt.

 

 

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Findet man dort mehrere Frauen oder bist du die Einzige?

Das Zeichner-Team besteht momentan nur aus Frauen. 3 an der Zahl. Auch in anderen Teilen des Teams gibt es Frauen. Generell zwar etwas weniger, aber das ist bei uns nie ein wirkliches Thema.

 

 

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Wenn man deine privaten Zeichnungen betrachtet, fällt auf, dass du fast nur Frauen zeichnest und diese sind meistens auch dunkelhäutig. Hat das einen Grund?

Das, was man z.B. im Netz von meiner Arbeit sehen kann, ist eher privates Zeug. Und dabei wähle ich die Motive nur bedingt bewusst aus. Manchmal gibt es Themen, die mich gerade beschäftigen oder ich zeichne Dinge, die ich einfach schön finde, ohne dass da mehr dahinter steckt.

Dass ich gerne Frauen zeichne liegt schlicht und ergreifend daran, dass ich das Gefühl habe, dass mir das Weibliche an sich mehr Möglichkeiten gibt, mich in dem auszuprobieren, was mir zeichnerisch Spaß macht. Und natürlich bin ich selbst eine Frau. Das spiegelt sich dann wahrscheinlich schon wieder. Und ich bin eine Frau mit dunkler Hautfarbe.

Ich habe schon öfter die Frage gestellt bekommen, warum ich oft Motive mit dunkelhäutigen Frauen wähle. Aber ich frage auch keinen, warum ich überall um mich herum überwiegend hellhäutige Menschen in Filmen, in der Werbung oder auf Gemälden sehe. Klar, das ändert sich alles und wird offener aber es fällt eben auch auf, dass dunkelhäutige Frauen immer noch irgendwie als “besonders” oder “auffällig” wahrgenommen werden. Sonst würde man mir diese Frage ja nicht stellen.

Ich finde es einfach richtig, wenn ich auch eine dunkelhäutige Person in einer “deutschen” Werbung, in einem “deutschen” Film sehe. Und dann natürlich auch eine, die nicht unbedingt ein “schwarzes” Klischée bedient. Das sollte sich meiner Meinung nach auch im Bereich Kunst oder Illustration zeigen. So wie es auch mehr Kinderbücher geben sollte, bei denen die Hautfarbe nicht immer hell sein muss. Damit möchte ich nicht sagen, dass alle schwarz sein müssen. Mir geht es eher darum, das man die Realität sieht und zeigt, wie z.B. eine Kindergartengruppe oder Schulklasse heutzutage aussieht und das auch okay so ist. Da gibt es türkische, deutsche, rothaarige, asiatische und schwarze Kinder…So sollte es in jeder Form von visuellen Medien integriert sein….damit es eben nichts Besonderes ist und endlich als “normal” betrachtet wird.

 

 

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Bist du Deutsche?

Ja. Ich bin hier geboren und ich habe genauso deutsche Wurzeln wie ghanaische. Die Hälfte meiner Familie ist deutsch. Und der Teil meiner Familie, den ich am besten kenne und der mich überwiegend erzogen hat, ist deutsch. Deswegen empfinde ich mich auch als Deutsche. Das heißt jedoch nicht, dass ich meinen ghanaischen Teil weniger anerkenne.

 

Was bedeutet Deutschsein für dich?

Schwer zu beantworten … es gibt ja viele Möglichkeiten, das zu definieren! Bin ich deutsch, weil ich einen deutschen Pass habe? Ist man deutsch, weil man hier geboren ist? Beides trifft auf mich zu. Aber generell verbinde ich Deutschsein damit, dass ich mein bisheriges Leben in diesem Land verbracht habe. Alle Erfahrungen, die mich als Kind, Jugendliche und Erwachsene bisher geprägt haben – gute wie auch schlechte – habe ich hier gemacht. Ich habe mit dem Mauerfall ein Stück deutsche Geschichte miterlebt. Deutsch ist meine Muttersprache, mit der ich mich am besten mitteilen kann. Über die deutsche Sprache habe ich alles gelernt, was ich heute weiß. All das zusammen, würde ich sagen, macht für mich in erster Linie Deutschsein aus.

 

 

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Wenn du dich selbst definieren müsstest, wie siehst du dich, im Bezug auf deine Identität?

Wenn ich das bestimmen muss, dann bin ich in erster Linie eine Frau. Eine schwarze Frau. Eine schwarze Deutsche. Was ich jedoch für die Zukunft wichtig finde, ist, dass man sich als Mischling / Halbschwarze / Afrodeutsche nicht zwangsläufig davon abhängig macht, sich als “weiß” oder “schwarz” definieren zu müssen.

Ich finde es unglücklich, sich selbst Fragen darüber zu stellen, wo jetzt das Schwarze oder das Weiße in einem ist. Ich würde mir wünschen, dass Menschen mit bi-ethnischer Herkunft sich irgendwann als etwas Eigenes verstehen und darüber eine eigene Identität aufbauen. Vielleicht würde es dazu beitragen, sich eben nicht mehr von der einen oder anderen Seite etwas abzugucken, um sich zu definieren, sondern sich davon zu befreien, sich als etwas Eigenes zu sehen und eine Identität als halbschwarze, deutsche Person zu bilden, ohne das Gefühl zu haben, in den Vergleich treten zu müssen. Wir haben mittlerweile unsere eigene Geschichte!

Ich bin dunkelhäutig, aber ich bin weder das eine zu 100%, noch das andere!

 

 

salena_photo_by_dominique_booker

 

Vielen Dank für deine ehrlichen Worte meine Liebe!

 

Mehr von Salenas tollen Arbeiten, findet ihr unter folgenden Adressen:

Website / Facebook / Instagram

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