Ich bin auf dem Weg zum Deutschen Theater in Berlin um eine junge ghanaische Schönheit zu treffen … Darüber freue ich mich sehr, denn ich darf nicht nur ein Interview führen mit einer interessanten Frau, sondern erhalte einen Blick hinter die Kulissen und habe gleichzeitig eine tolle Kulisse für anschließende Aufnahmen.

Wer ist diese junge Dame, woher kommt sie und warum dieser Treffpunkt?

 

Mein Name ist Ruby, ich komme aus Berlin und bin 23 Jahre alt. Ich bin in Berlin geboren und groß geworden. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Ghana. Mein Vater und meine Mutter kamen vor ca. 40 und 25 Jahren nach Deutschland, um sich und der Familie ein besseres Leben in Ghana zu ermöglichen, seitdem leben sie in Berlin. Sie trennten sich relativ früh, ich bin also mit meiner Mutter aufgewachsen. Zur Zeit spiele ich am Deutschen Theater in Berlin in dem Stück Todsünde 7 mit, das mache ich seit ca. 2 Jahren. Das vorherige Stück nannte sich Fluchtpunkt Berlin.  (Das Interview wurde im März 2015 geführt, z.Z. kann man Ruby in dem Stück Alice im Wunderland bewundern.)

Am Deutschen Theater ohne Ausbildung spielen zu können ist eines der besten Dinge, die mir bisher passiert sind. Da es mir so gut gefallen hat, überlege ich nun auch Schauspiel zu studieren und bewerbe mich gerade an Schauspielschulen und hoffe, dass ich bald eine Zusage erhalte.

 

 

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Wie hast du dich in die Schauspielerei verliebt?

Ich habe mich in meinem Leben des Öfteren gefragt, wo ich mich sehe, was ich wirklich kann, wo ich zu 100 % dabei bin und diese Leidenschaft habe ich im Theater für mich entdeckt. Ich habe hier, durch das gute Feedback das Gefühl, dass meine Arbeit gemocht und anerkannt wird. Mich künstlerisch und körperlich auszudrücken liegt mir wohl am Besten … Ich höre oft, dass ich sehr kalt wirken kann, aber das liegt wohl an meiner Erziehung, Selbstzweifeln oder auch an einem gewissen Selbstschutz, aber ich schätze, dass man beim Schauspiel einen ganz anderen Zugang zu mir bekommt und den Menschen sieht, der ich wirklich bin.

Einer meiner größten Motivationen Schauspiel zu studieren, ist zum einen der Mensch … der Mensch, wie er leibt und lebt … Der Mensch, wie er sich in den Zeitepochen veränderte (quasi eine Hommage von mir an den Mensch)! Ob es jetzt der Transvestit, die Lidl Verkäuferin von nebenan, die Burlesque Tänzerin den 20er Jahren oder der Serienmörder ist, all diese unterschiedlichen Persönlichkeiten nehme ich jeden Tag in meinem Leben/Alltag war und oft merke ich, dass mir ein einfaches vorbeigehen oder Begegnungen mit bestimmten Persönlichkeiten nicht genügen. Ich möchte mich mit dem Mensch auseinander setzen, ihn hören, versuchen zu verstehen, mit ihm fühlen, sehen, wie er handelt, fühlt und denkt und wo kann man das besser als auf der Bühne?!  Der Mensch fasziniert mich! Auf der Bühne kann ich los lassen … Auf der Bühne kann ich all meine Emotionen und Lebenserfahrung in Rollen verpacken/wiedergeben und auf den Punkt bringen bzw. mich besser verständlich machen, wie ich Dinge sehe und verstehe … Für einen Moment sind meine private Probleme vergessen! Das Gefühl akzeptiert und angehört zu werden gibt mir unter anderem die Bühne …

Kennengelernt habe ich die Schauspielerei, indem ich in meinem letzten Abijahr Darstellendes Spiel belegte. Vorher haben mich Theater und all diese elitären Dinge überhaupt nicht interessiert, aber ich wurde durch eine Freundin in der Oberstufe auf diese Gruppe aufmerksam gemacht. Ich habe mich prüfen lassen und es lief ganz gut. Man fragte mich, nachdem ich die Prüfungen abgelegt hatte, was ich denn in meinem Leben mit mir vor habe und ich antworte, wie immer damit, dass ich es nicht weiß. Meine Lehrerin legte mir dann nah, dass ich es mit dem Schauspiel doch versuchen solle, denn sie fände es toll, wie ich Dinge auf der Bühne umsetze und wie sehr meine Persönlichkeit dort aufgehe. Ich habe also darüber nachgedacht und privat nach Theathergruppen gesucht. In der Naunyn Ritze, einem Jugendzentrum in Kreuzberg wurde ein Stück entwickelt, dass sich Faust Reloaded nannte und das hat mir super viel Spaß gemacht. Dann wurde mir klar – das ist es! Hier gehöre ich hin!

 

Gibt es eine betimmte Rolle, die du gerne spielen würdest?
Oder ein bestimmtes Ziel, dass du dir in der Schauspielerei gesetzt hast?

Ich spiele gerne schitzophrene oder besessene Menschen!

– ein lautes Lachen von Ruby erklingt in den Theatherräumen –

Die Welt ist komplex, so auch der Mensch (der ewige Kampf zwischen gut und böse! Ja und Nein! Wenn man besessen ist, hat es ja meistens mit Dingen zu tun, die nicht von dieser Welt sind, etwas das nicht menschlich ist, wie es unsere heute Gesellschaft bezeichnen würde. Ich hingegen empfinde es für sehr menschlich – hin und her gerissen zu sein!) und das finde ich toll. Es hört sich skuril an, aber ich finde auch Serienkiller sehr interessant. Zu sehen, was bei diesen Menschen in deren Kindheit vorgefallen ist, dass es sie dazu gebracht hat diese Tat vorzunehmen – das finde ich faszinierend! Die Psyche des Menschen finde ich beeindruckend. Mein Ziel ist es tatsächlich verschiedene Rollen spielen zu dürfen! Wenn ich das Gefühle habe, Klischees spielen zu müssen, die von einer Schwarzen Frau erwartet werden, dann krampfe ich ein bisschen zusammen oder habe Angst solche Rollen spielen zu sollen, denn ich möchte das Gegenteil beweisen oder zeigen, dass wir auch ganz “normale Menschen” sind.

 

Ist es bisher oft vorgekommen, dass dir Rollen dieser Art zugespielt wurden?

Zum Glück nicht! Ich muss sagen, das junge Deutsche Theather geht damit anders um und darüber bin ich auch sehr glücklich. Ich habe Glück gehabt mit Menschen zusammenarbeiten zu dürfen, die immer dafür gesorgt haben, uns allen das Gefühl zu geben, gleichberechtigt zu sein und gleiche Chancen zu haben.

 

Deine Herkunft spielt in der Schauspielerei also eine Rolle?

… Ja! Aber ich muss im Vornherein direkt sagen, dass ich meine Herkunft nicht als Entschuldigung nehmen möchte, dafür, dass ich Rollen nicht bekomme! Ich finde es ist eine sehr schwache Rechtfertigung und so wurde ich auch nicht erzogen. Mir wurde vermittelt, dass es zählt, wie man rüberkommt und dass der Mensch hinter dem Äußeren die wichtigste Rolle spielt. Ich versuche das also auszublenden und wirklich nur Kriterien zu beachten, wie z.B. meine Leistung, ob ich es geschafft habe Menschen zu berühren usw., weil ich denke, dass mein Charakter in diesem Moment die einzige Rolle spielt. Aber natürlich wird man auch immer wieder daran erinnert, dass man Schwarz ist und das Schwarze Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum sehr rar sind. Es gab auch Zeiten in denen ich das tatsächlich an mich heran gelassen habe, da es eben auch Menschen gab, die sagten, dass ich das Ganze mit meiner Hautfarbe sowieso vergessen könnte. Aber mittlerweile denke ich, dass ich es gerade aus diesem Grund nicht aufgeben möchte und denke daran, dass man auch endlich diese Tür, die schon gut eingetreten wurde für uns, für die nächsten Generationen noch weiter auftreten muss. Wenn ich mich davon beeinflussen lassen würde, wäre die Chance wieder geringer, dass es zur Normalität wird, auch in Deutschland Schwarze Schauspieler am Theather zu sehen und auch gleichzeitig angesehen Berufe darzustellen zu können, wie Anwalt oder Arzt und nicht immer die Putzfrau spielen zu müssen. Das ist für mich auch nicht Deutschland! Ich würde mich sehr freuen, wenn man das Ganze dadurch endlich in ein etwas anderes Licht rücken könnte. Es hat aber natürlich auch wieder Vorteile, da die Konkurrenz nicht eben nicht so groß ist. Mir ist es aber einfach sehr wichtig, dass man nicht unbedingt nach meinem Äußeren geht … dass z.B. „Exoten gesucht werden“, (wie das ja immer so gerne gesagt wird), sondern das Typen, wie Ruby gesucht werden!

 

 

 

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Du sagtest, dass deine Mama seit 25 Jahren in Deutschland lebt, das bedeutet, schätze ich,
dass sie die ghanaische Kultur noch sehr fest verankert war in eurem Haushalt?
Wie äußert sich die “ghanaische Kultur”?

Ja das stimmt und aus diesem Grund sind meine Mama und ich auch sehr oft aneinander geraten. Da ich ja in Deutschland geboren und aufgewachsen bin und dadurch ganz andere Ansichten bekommen habe, die mit der afrikanischen (ghanaischen) Moral kollidiert sind. Dort bzw. bei uns in der Familie widerspricht man den Eltern nicht, es wird zu allem Ja und Amen gesagt und ich war da eher immer sehr rebellisch … Habe nein gesagt oder Dinge hinterfragt. Meine Mutter ist eine sehr gläubige Frau, ich wurde also sehr christlich erzogen. Man musste also jeden Sonntag in die Kirche oder mitten in der Woche zu Gebetsstunden und ich wollte das nie wirklich. Man wurde aber “gezwungen”, wenn man es aber nicht gemacht hat, wurde man direkt als “schlecht” abgestempelt und das wollte ich natürlich nicht. Ich habe mit dem Christentum immer sehr viel Angst in Verbindung gebracht, da immer gesagt wurde, wenn du dieses oder jenes tust oder sagst, wirst du von Gott bestraft, deswegen habe ich versucht mich anzupassen, weil es von mir erwartet wurde. Gleichzeitig konnte ich aber sehen, dass das, was in der Kirche gelehrt wurde, oft nicht der Welt entsprach, die ich gesehen habe, dass z.B. gelästert wurde, oder Intrigen gesponnen wurden zwischen den Frauen und deshalb habe ich soviel hinterfragt, weil es für mich einfach nicht richtig war. Ich bin relativ früh ausgezogen, mit 17 Jahren, aber nicht, weil ich keine Lust mehr hatte mit meiner Mutter zu leben, sondern weil es einfach nicht mehr ging, jetzt verstehen wir uns aber weitaus besser.

 

Kommen wir nun zu meinen Lieblingsfragen! Auch du wirst nicht verschont, meine Liebe:
Ganz kurz und knapp – bist du Deutsche?

Von Deutschen werde ich nicht als Deutsch bezeichnet, sondern als Exot oder als Ausländerin. Von meinen “Gleichgesinnten” in Afrika, werde ich auch nicht als Ghanain bezeichnet, sondern als Europäerin, da sie sofort sehen, dass man “anders” ist – man ist also nirgendwo wirklich zu Hause, man ist rastlos. Ich fühle mich aber deutsch, denn ich spreche Deutsch, ich träume deutsch, ich setze mich so auseinander und kann mich so am Besten ausdrücken. Trotzdem fühle ich mich nicht wirklich irgendwo zugehörig. Mit dem Theather schaffe ich es, sagen zu können, das ist meine Familie, ich bin ein Teil davon, dort gehöre ich dazu. Wenn es aber wirklich darum geht, sich einem Land zuordnen zu müssen, will, oder weiß ich noch nicht, wo ich mich festlegen sollte.

 

Was bedeutet Deutschsein denn für dich?

Zum Glück fällt mir da sofort etwas Positives ein! Deutschsein bedeutet für mich, die Freiheit zu haben, das sagen zu dürfen, was man denkt … Ehrlich gesagt, sind wir dennoch weit davon entfernt! Redefreiheit! Das hat man leider Gottes nicht in jedem Land oder sogar Kontinent. Der Horizont in Deutschland – obwohl Pegida leider dagegen spricht – man sieht hier viele Kulturen und kann sie kennenlernen, besonders in Berlin und dadurch wird der eigene Horizont sehr erweitert, man weiss besser Bescheid und kann dadurch besser mit verschiedenen Kulturen umgehen. Mir fällt während ich rede auf, dass ich nicht wirklich sicher bin, ob ich das so stehen lassen kann… Meine Gedanken verschieben sich besonders schnell wenn ich über das Thema Deutschsein spreche!!

– ein Grinsen erscheint auf Ruby‘s Gesicht –

Ich finde auch Pünktlichkeit ist eine sehr deutsche Eigenschaft … Deutsch bedeutet für mich aber auch vor dem Unbekannten Angst zu haben, sich zu scheuen oder zu entfernen. Sich Sachen nicht zu trauen, also immer einen Schritt weiter zurück zu sein als alle anderen.

 

Du hast mir bereits gesagt, welche Rolle deine Herkunft in der Schauspielerei spielt,
wie wirkt sie sich denn aus in deinem alltäglichen Leben?

Wenn ich das so höre, habe ich gleich das Gefühl, dass ich speziell auf die Nachteile eingehen sollte, die ich in diesem Land dadurch habe, oder?

 

Diese Frage zielt nicht auf eine bestimmte Richtung ab, die Richtung bestimmt tatsächlich dein eigenes Bewusstsein –
wie es bei dir ankommt, was du damit verbindest, das wüsste ich gerne!

Mir fällt darauf ganz spontan ein, dass ich immer daran erinnert werde, dass ich nicht Deutsch bin oder mich deshalb rechtfertigen muss … Wenn man sich dann schließlich rechtfertigt, dann hört man gleichzeitig Dinge wie: „Du lebst doch hier, es geht dir hier doch blendend, warum beschwerst du dich?“ In diesem Sinne spielt meine Herkunft eine Rolle! Erklären, rechtfertigen und erinnert werden … das ist es! Und ich möchte das gar nicht! Aus diesem Grund blende ich es zeitweise auch aus.  So wie ich bin und innerlich funktioniere, spielt meine Hautfarbe keine Rolle und ich „vergesse“ sie – ich bin einfach nur Mensch! Ich möchte einfach nur als Mensch gesehen werden, aber das ist natürlich schwierig. Ich glaube das hat alles mit dem Urinstinkt des Menschen zu tun, dass wenn man etwas “Anderes” nicht kennt, gleichzeitig Angst davor hat und auch immer dieses Konkurrenzverhalten im Vordergrund steht. Leider hat dieses relativ kleine Problem es geschafft etwas ganz Großes zu werden und dazu geführt, dass verschiedene Kulturen (oder Rassen) sich immer vergleichen, versuchen zu behaupten oder besser sein möchten. Das ist der falsche Ansatz, aber so funktioniert leider die Welt.

Als kleines Mädchen hat mich die Meinung anderer sehr beeinflusst und ich wurde durch mein Aussehen sehr gehänselt, was natürlich dazu führte, dass ich anders aussehen wollte – von meiner Nase, meinen Lippen, bis hin zu meiner Hautfarbe. Früher habe das alles als Fluch empfunden und dachte, dass ich aufgrund meines Aussehens immer mehr strugglen müsste, aber heute ist es ein Segen bzw. versuche ich jeden Fluch zu einem Segen für mich um zu wandeln! Die Einflüsse und Ansichten, die ich habe, durch die zwei verschiedenen Kulturen, mit denen ich groß werden durfte sind definitiv ein Geschenk!

 

 

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Vielen Dank für deine offenen Worte liebe Ruby!

 

Mehr über Ruby findet ihr auf:
Instagram

oder besucht doch eine Vorstellung des jungen Deutschen Theaters in Berlin und seht Ruby in Action ;)

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