Als ich Bolu auf Instagram entdeckt habe, habe ich mich besonders gefreut! Warum? Weil Bolu eine junge Frau mit Albinismus ist! Und letztes Jahr – zur gleichen Zeit – durfte ich sie in Köln treffen und ihr einige Fragen dazu stellen, wie es sich mit Albinismus lebt, welche Auswirkungen es auf den Körper hat und wie eigentlich andere Menschen auf ihr besonderes Aussehen reagieren. Auch wenn wir relativ viel Zeit damit verbrachten uns am unserem ersten Eis des Jahres zu erfreuen, habe ich den Moment genutzt um einige neue Dinge zu lernen.
Bolu, 20, Model, Kellnerin
Erzähl mir doch ein bisschen über deine Wurzeln und wo du aufgewachsen bist!
Mein Vater ist Yoruba und meine Mutter ist Igbo. Ich habe 5 Jahre in Nigeria gelebt und wurde auch dort geboren. Mit 5 Jahren bin ich dann mit meiner Mama nach Deutschland gekommen, mein Vater war schon hier – der größte Fehler unseres Lebens! Damals war Deutschland noch anders – mega anders! Alles war so viel cooler, chilliger und relaxt, die Menschen waren soviel offener! Ich konnte ja damals kein Deutsch und im Kindergarten habe ich meistens Englisch gesprochen. Ich habe sehr viel Teletubbies geguckt, was tatsächlich mein Deutsch verbessert hat und umso älter ich wurde, umso schwieriger wurde es – das Leben, die Menschen, die Umgebung…
Welche Rolle hat der Albinismus in Nigeria gespielt, wie haben die Menschen auf dich reagiert?
Meine Mama hat mir erzählt, dass man mich als speziell angesehen hat, nicht im negativen Sinne, sondern man hat mich zelebriert, wie einen Star oder eine Gottheit. Ich konnte das selber nicht fassen, als sie mir das gesagt hat! Ich hatte gar keine Probleme dort, das blieb so, bis ich dann nach Deutschland gekommen bin.
Was hat sich geändert?
Wie die Menschen mit mir umgehen, hat sich drastisch geändert! Ich bin ja Schwarz! In Nigeria wussten das alle und haben das auch so akzeptiert – zumindest als ich klein war – aber hier hab ich es anders empfunden. Entweder kannten sie es nicht oder fanden es komisch und dadurch fingen die Kinder dann an neugierig zu werden und diese Neugierde verwandelte sich schnell in Frechheit. Als Kind versteht man so etwas nicht! Irgendwann habe ich aber begonnen zu begreifen, dass die Kinder nicht damit umgehen können, wie ich aussehe und dass sie es als komisch empfinden. Alles, was komisch ist, wird dann in eine Schublade gesteckt und weggesperrt. Ich hatte deswegen in meinem Leben schon oft Probleme, da wenn man sich versucht zu erklären, die Menschen es oft nicht verstehen oder ihnen die Kompetenz fehlt, was dann zu Problemen führt. Deswegen hatte ich irgendwann keine Lust mehr und dachte mir: „Wer nicht will, der hat schon!“ Das musste ich sehr schnell lernen und dadurch hat sich auch meine Denkweise geändert. Ich weiß jetzt, dass ich niemandem Rechenschaft schuldig bin und dass ich toll so bin, wie ich bin – was nicht einfach zu akzeptieren war, aber meine Mama hat mich auch so erzogen.
Nach meinem Abschluss habe ich in London gelebt für 3 Jahre. Ich bin dort aufs College gegangen, wollte eigentlich
auch studieren, aber das Geld hat leider nicht ausgereicht. Ich hatte drei Jobs, ich konnte dann irgendwann nicht mehr.
Ich glaube aber, wäre ich nicht nach London gezogen, hätte ich gewisse Charaktereigenschaften gar nicht entwickelt.
Ich habe in Deutschland eine Schule und ein Internat für Leute mit meiner Art „Problem“ besucht – also für Blinde oder Sehbehinderte, denn mit dem Albinismus kommt auch eine bestimmte Sehschwäche, bzw. Sehbeeinträchtigung. Dadurch, dass ich aber diese Schulen besucht habe, habe ich selbst nicht erkannt, dass ich zu viel mehr fähig bin. Dir wird dort zwar geholfen, aber im Endeffekt wird einem beigebracht dass man nie mehr sein wird. Und das ist etwas, was für mich in Deutschland das größte Problem ist. Nach meiner Schulzeit wollte ich dann raus aus dieser Welt und wusste nicht wohin, habe mich dann aber für England entschieden. Als ich dann auf dem College war, waren allen Menschen sehr offen zu mir und haben mich so akzeptiert, wie ich bin. Keiner wurde diskriminiert und es gab auch andere Studenten, die z. B. im Rollstuhl saßen – Akzeptanz wurde großgeschrieben. Ab dann habe ich mich gefragt, warum ich in so eine spezielle Schule gesteckt wurde als ich jünger war, wenn ich doch genauso mit „normalen“ Menschen hätte aufwachsen können. Durch diese Lebensabschnitte habe ich realisiert, dass auch ich ganz normal bin und habe begonnen die Negativität anderer Menschen mir gegenüber ab dann zu ignorieren.
Wie sehr beeinträchtigt dich deine Sehschwäche, wie kann man sich das vorstellen?
Wenn Babys anfangen ihre Augen zu öffnen, fokussieren sich auch Augen. Bei Menschen mit einer Sehbehinderung – ja so nennt man das in Deutschland, leider – und Albinismus ist es so, dass wir eine Art Lichtschwäche haben. Als Kind konnte sich dadurch dieser Fokus nicht entwickeln und weil das Licht zu viel war, neigt man als Baby dazu, die Augen geschlossen zu halten. Dadurch gewöhnen sich die Augen nicht richtig ans Licht und wie bereits erwähnt entwickelt sich der Fokus dadurch nicht richtig. Das führt dann zum Nystagmus – dieses Augenzucken dass ich habe. Davon gibt es auch verschiedene Varianten. Ich bin weit und nahsichtig, kann aber Kleingedrucktes nicht lesen, weil sich meine Augen nicht auf einen kleinen Punkt fokussieren können, dadurch kann es sein, dass die Zeilen sich verschieben oder ich erst mit dem einen und dann mit dem anderen Auge lese. Das ist sehr merkwürdig, aber das passiert manchmal und ist mit einer mega Anstrengung verbunden. Ich habe mich selbst trainiert beide Augen zu benutzen, ich kann es also, aber es kostet mich sehr viel Energie. Die Sehschwäche äußert sich auch so, dass Dinge in der Ferne nicht direkt erkennbar sind für mich. Sie sind nicht verschwommen, aber sie sind auch nicht klar, weshalb ich nur die Umrisse sehe. Ansonsten sehe ich alles – ich sehe Farben, habe keinen Tunnelblick oder Sonstiges. Es sind wirklich nur Kleinigkeiten, aber es wird aus der Mücke ein Elefant gemacht.
Welchen Einfluss hat Albinismus noch auf den menschlichen Körper?
Mein bester Freund hat Albinismus nur in den Augen und ich wusste sehr lange nicht, welche verschiedenen Formen es alles gibt. Seit einer Weile beschäftige ich mich aber damit und weiß dadurch, dass Albinismus nicht nur durch Genmutation oder einen Gendefekt kommt, sondern auch durch das Fehlen von Melanin, was für die Hautfarbe zuständig ist. Ich, als Typ II, mit fehlendem Melanin, kann z. B. nicht braun werden. Ich werde rot und es kann zu Hautkrebs führen. Mir fehlt das Melanin in der Haut, den Augen und in den Haaren. Wenn man es nur in den Augen hat, hat man eben nur die Sehschwäche, die ich bereits erwähnte. Es gibt z. B. aber auch einige Albinos, die allgemein mehr rötlich oder bräunlich sind. Dann gibt es auch noch Menschen, die Vitiligo haben, das ist auch eine Form von Albinismus. Es gibt auch einen Unterschied zwischen europäischen und afrikanischen Albinos, wie mir. Die europäischen Albinos neigen dazu doppelt so hell zu sein, wie ich. Ihre Sehkraft ist auch schwächerer und sie sind viel sonnenempfindlicher, als ich beispielsweise. Komischerweise sind sie am wenigsten bekannt, komisch irgendwie…
Du erwähntest am Anfang dass du dich trotz deiner hellen Haut schon immer eindeutig damit identifizierst
eine Schwarze Frau zu sein. Was bedeutet das für dich?
Ich wusste es, aber die Akzeptanz hat gefehlt und der Umgang damit. Umgang im Sinne von dass ich mich der Kultur und den Menschen anpasse, weil auch viele afrikanische Menschen mich z. B. nicht akzeptieren. Wir waren vor 2 Jahren in Nigeria. Alle meinten, dass ich nicht aussehe, wie eine Nigerianerin und eine weiße Frau wäre. Ich möchte Menschen nicht gerne als uneducated bezeichnen, aber: „Come on! Sei offener!“ Es gibt viele verschiedene Arten von Menschen da draußen, und nur weil einer nicht so aussieht, wie du es kennst, heißt es nicht, dass er falsch ist oder mit ihm irgendwas nicht stimmt! Wir wollen alle akzeptiert und geliebt werden und das ist etwas, was ich sehr vermisst habe bei anderen Menschen. Am Anfang war Selbstliebe ein sehr schweres Thema für mich, aber es kam mit der Zeit. Es hat mega lange gedauert, bis ich sagen konnte, dass ich mich so liebe, wie ich bin. Ich glaube, das hat jeder der so ist wie ich, oder auch generell Schwarze Menschen, weil wir alle immer damit konfrontiert werden und Fragen gestellt bekommen, bei denen man sich fragt, was es soll…
Du verwendest das Wort Albino, es ist also okay diese Bezeichnung zu benutzen?!
Oh ja, auf jeden Fall, wir wollen das sogar! Ich finde, Albino ist das beste Wort, was man dafür verwenden kann und es ist auch legitim, denn es wird in medizinischer Fachsprache auch verwendet. Albino aber dann nur als Beschreibung dafür, wiewir sind, nicht werich bin. Wenn man mich, anstatt meinen Namen zu nennen, immer als Albino beschreibt, dann stimmt natürlich irgendetwas nicht! Es geht um die Pauschalisierung dieses Wortes, als würde es eine Rasse beschreiben, das sollte natürlich nicht sein.
Gab es einen Zeitpunkt in deinem Leben an dem du dir gewünscht hast keinen Albinismus zu haben?
Einmal, ja! Aber das war zu der Zeit, als ich mich noch nicht als normal akzeptiert habe. Ansonsten gar nicht! Ich finde es mega cool, dass es mir passiert ist und ich gebe sogar damit an (lacht) Ich finde es superinteressant, vor allen Dingen für mich selbst, weil ich nicht weiß, wie meine Kinder aussehen werden. Ich finde gerade, weil ich Albino bin, sollte ich stolz darauf sein und das nicht nur innerlich zeigen, sondern auch nach außen hin verkörpern. Ich habe alles Mögliche ausprobiert – Haare gefärbt, Extensions getragen… Weil ich dachte ich müsste irgendwo und irgendwie dazugehören. Schönheit bedeutet für mich, sich so zu zeigen, wie man ist und stolz darauf zu sein, was man hat! Ich habe mich schon oft selbst dabei ertappt, dass ich damit angebe, wie ich aussehe, aber das tue ich, weil es mir früher nicht so gut damit ging, wer ich bin. Heute bin ich einfach nur noch froh darüber, dass ich an diesem Punkt gekommen bin und zeige es auch so oft ich kann!
Danke dir vielmals Bolu <3
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