Das erste “Schwesterninterview” ist nun fertig und jetzt kommen wir zur nächsten. Ich bin sehr neugierig darauf, zu hören, was sie mir zu diesem Thema mitteilen wird, denn wir haben uns noch nie wirklich darüber unterhalten, obwohl wir Freundinnen sind. Werden die beiden sich sehr ähneln oder werde ich gleich völlig verschiedene Antworten erhalten? Schwestern sind in vielen Fällen sehr unterschiedliche Menschen, mit anderen Erfahrungen, obwohl sie im gleichen Haushalt aufwuchsen … Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet!

 

Wer bist du, woher kommst du und was machst du?

Mein Name ist Sophie-Yukiko Hasters und ich bin 26 Jahre alt. Ich bin in Köln geboren, auf­gewachsen und wohne immer noch hier. Ich studiere Wirtschafts­psycholgie und bin hauptberuflich Tänzerin. Woher unsere Eltern stammen, hat meine Schwester ja bereits erwähnt.

Das stimmt! Kannst du mir sagen, wie eure Eltern sich kennenlernten?

Meine Mutter war Ballerina und hat dann bei Pina in Wuppertal getanzt. Mein Vater war zu dieser Zeit Akrobat und Zirkus­clown und beide hatten ungefähr den gleichen Freundes­kreis. Mein Vater kannte den Exfreund meiner Mutter und sie haben sich tatsächlich über ihn kennengelernt, soweit ich weiß.

Eure Mutter ist ja Amerikanerin, wie oder warum kam sie nach Deutschland?

In erster Hinsicht wegen der Arbeit. Sie tanzte in New York in den 70zigern mal hier und dort am Broadway. Eines Tages ging sie dann völlig ungeplant zu einem Casting für Béjart, der einer der allerwichtigsten Choreographen dieser Zeit war. Sie bekam den Job und ist dann nach Brüssel gegangen, zu einer Company die weltweit eine der bedeutendsten war. Dadurch ist sie nach Europa gekommen. Als sie dann dort war, wurde sie von Stockhausen entdeckt, welcher sie dann für ein anderes Projekt mit nach Deutschland nahm. So kann man sagen, dass meine Mutter in erster Linie wegen des Jobs nach Deutschland gekommen ist, aber ich würde es wagen zu behaupten, dass sie auch von der familiären und politischen Situation in Amerika geflüchtet ist. Deswegen hatte sie auch nie den Wunsch wieder zurück zu gehen und hat ich hier ein neues Nest gebaut.

 

Sophie-Yukiko / Mama Elisabeth & Papa Herbie / Alice-Haruko

 

Was würdest du sagen, welche Kultur bei euch zu Hause gelebt wurde?

Ich bin schon mit beiden Kulturen aufgewachsen, würde ich sagen. Dadurch, dass meine beiden Eltern Freiberufler waren, haben ich und meine Schwestern auch viel Zeit bei meinen deutschen Großeltern verbracht. Großeltern mütterlicherseits – da gab es nur meine Großmutter, die aber auch mit uns in Deutschland gelebt hat. Wenn wir dann bei meinem deutschen Großeltern waren, da war es eben richtig deutsch dort gab es z.B. deutsche Küche, deutsche Sprichwörter, deutsche Regeln und Tugenden, deutsche Traditionen. Sie waren auch sehr weltoffen, aber eben richtig deutsche Großeltern. Dort gab es Wirsing, Sauerbraten, Frikadellen, Würstchen…  Auf der anderen Seite dann die Mutter meiner Mutter, die ja schon gar kein Deutsch gesprochen hat. Alleine das hat schon einen großen Unterschied gemacht, weil wir mit dieser Oma nur Englisch sprechen konnten. Unsere Oma hat uns z.B. auch immer vom Ballett abgeholt und da mussten wir damals schon für sie übersetzen. Wir sind also auch bilingual aufgewachsen. Bei uns gab es wirklich beides, meine Mutter hatte viele amerikanische Freundinnen… Ich habe immer mehrere Sprachen gehört. Ich habe letztens noch eine DVD gesehen, die uns unser Vater geschenkt hat, auf der viele Filme von unserer Kindheit drauf sind, in denen man sieht, dass bei uns mal Deutsch, mal Englisch, mal Französisch gesprochen wurde. Es war also sehr multikulturell, dadurch, dass meine Eltern viele Freunde aus Frankreich, Asien usw. hatten. Ich könnte nie behaupten, ich bin in einem typisch deutschen oder typisch amerikanischen Haus aufgewachsen, weil es bei uns einfach sehr vermischt war.

Sind dir die Unterschiede, bezüglich der Herkunft deiner Eltern, im Kleinkindalter aufgefallen?

Ja, klar! Also, noch bevor man es benennen konnte, habe ich gemerkt, dass der kulturelle Unterschied total anders ist. Ich habe sehr früh verstanden, dass schwarze Menschen anders mit­einander umgehen, dass es einfach eine andere Kultur ist, die sich anders anfühlt und unterschiedlich ist, zu der einer kaukasischen Familie. Wenn meine Mutter und Oma Besuch ihrer Freundinnen hatten, war es immer laut und es war auch okay, dass es laut war. Man redete durcheinander, es wurde geklatscht und getanzt, es war ein großes Chaos und es war völlig okay so. Bei meiner deutschen Familie gab es ein ganz anderes Regiment miteinander, es gab einen anderen Verhaltenskodex wie man miteinander umging. Man ist nicht laut! Laut sein ist nicht gut, das gehört sich nicht (wenn man es jetzt mal oberflächlich ausdrücken möchte). Dazwischen reden gehört sich eben auch überhaupt nicht, es wird nicht getobt und soll eher alles gesitteter ablaufen. Dass dies ein ganz grundsätzlicher Unterschied war, das habe ich sehr früh verstanden. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, es nicht verstanden zu haben, natürlich nicht so reflektiert, aber ich wusste als kleines Kind schon immer – okay jetzt bist du bei Weißen da gilt dieses, jetzt bist du bei Schwarzen da gilt jenes.

Hast du dich als Kind anders gefühlt als andere Menschen um dich herum?

Auf jeden Fall! Ich würde dem jetzt keine Wertung zuteilen, ich weiß nicht ob es nie eine Wertung gegeben hat oder ob ich an diese einfach nicht ran komme, weil es einfach zu lange her ist, aber ich meine schon. Ich rede so vom Kindergartenalter, wo man auch viel mit Nachbarschaftskindern zu tun hatte. Ja, ich habe mich auf jeden Fall immer anders gefühlt, weil es mir immer bewusst war, dass wir eine Sonderposition hatten, egal von wo man diese beleuchtete. Ich möchte damit sagen, dass wenn man z.B. mit deutschen Kindern in der Nachbarschaft spielte, nicht Dornröschen sein konnte, weil Dornröschen blond ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es mich verletzt hat, aber es ist auf jeden Fall angekommen. Ein weiteres Beispiel: Wir flechten uns gegenseitig die Haare, wie Kinder das eben so machen, bei mir sind die anderen Kinder überfordert. Oder wenn man bei Freundinnen übernachtet hat und diese Abends ihre Haare von ihren Müttern gebürstet bekommen haben, dass es diesen total unangenehm war, weil sie nicht wussten, was sie mit diesen Haaren anfangen sollen. Da kann man sich ja nur anders fühlen… Deshalb habe ich es auch sehr schnell verstanden, dass es weiß und schwarz gibt. Wir kommen mitten aus Köln und sind in einem sehr multikulturellen Kindergarten gewesen und dadurch hatte ich natürlich auch viele ausländische Freunde, die vielleicht auch noch einen “richtigen” Migranten Hintergrund hatten und nicht mal deutsch sprechen konnten. Das ist aber eben wieder die Sache, weil da hat man auch nicht dazu gehört. Denn man hat deutsche Großeltern, man spricht perfekt Deutsch, unsere Eltern haben keine Probleme mit Asyl etc., man hat keine andere Religion, man hat nicht wirklich dieses “parallel Gesellschaftsproblem“. Wir waren definitiv immer anders… Im Kindergarten waren wir nicht ganz ausländisch wie die anderen Kinder und bei Anna, Jan und Thomas hat man auch nicht ganz dazu gepasst.

Bist du anders behandelt wurden, sowohl positiv als auch negativ, vielleicht auch bis zum heutigen Tag?

In meiner Kindheit, wenn man jetzt von Eltern der Freunden spricht, oder Eltern der Nachbarn oder Lehrern, da würde ich es prinzipiell nicht so sagen. Da schreibe ich es aber ganz deutlich meiner lokalen Situation zu. Ich weiß, dass ich im Vergleich zu anderen schwarzen Jugend­lichen oder anderen Ausländern, Glück gehabt habe. Ich hatte mit Autoritäten, außer ein paar richtig krassen Situationen mit der Polizei, welche aber Ausnahmesituationen waren, in meinem ständigen Alltag, mit negativem Rassismus, wenige Berührungspunkte. Anders herum aber umso mehr. Im Musical oder Theather AG‘s wurde einem dann Mal eher der Part zugeschrieben, weil manche Sachen vielleicht authentischer aussehen, wenn eine Schwarze sie singt, obwohl ich nicht die beste Vokalistin war, die es im Raum gab. Oder die allgemeine positive Erwartungshaltung sowieso – ja, Sophie kann ja sehr gut frei sprechen, weil sie ja das Temperament dazu hat – ich weiß, dass ich das konnte, aber ich würde von mir selbst behaupten, dass das in erster Linie mit meinem Charakter zu tun hatte und nicht damit, dass meine Mutter eine schwarze Frau ist. In bestimmten Bereichen passt der Gesellschaft das, dass man jetzt zufälligerweise schwarz ist und in gewissen Konstellationen ist es eben auch erwünscht, dass man eine „Exotische“ dabei hat – das ist ja auch das schlimmste Wort überhaupt, Exotin! Als ich auf die Uni gekommen bin, wurde ich von den ganzen reichen Kids zu allen Partys eingeladen. Ich habe in Siegburg studiert, da ist es ja alles etwas gehobener… Ich wurde überall eingeladen, obwohl ich mit den Menschen dort nichts zu tun hatte, aber es sieht eben ganz schön aus, wenn so “eine wie ich” dabei ist. In Clubs, als man dann eine Frau geworden ist, genau das selbe Spiel. Man ist eben exotisch genug, aber nicht zu ausländisch und damit können die Leute leben. Ich würde sagen, wenn ich überhaupt von Rassismus reden kann, dann ist es dieses Thema, was mir am bekanntesten ist. Dadurch, dass es diese Art von Rassismus ist, ist es für mich erst später in der Pubertät ein Thema geworden. Ich habe in der Kindheit zwar bemerkt, dass ich anders bin, aber ich würde meine Kindheit als unbeschwert und wunderschön beschreiben. Dann, als man aber zur Frau wurde, zu einem hübschen Mädchen, wurden diese Dinge erst ein Thema. Vorher war man eben einfach nur ein süßes Kind. Das kommt dann später so dazu und den Spagat hinzukriegen, dass auch erst mal zu verstehen, dauert auch nochmal eine Weile.

Du bist Tänzerin und modelst auch, kannst du das darauf übertragen?

Beim Tanzen begegnet es mir weniger, würde ich behaupten. Ich komme eigentlich aus dem urbanen Tanz, das heißt, ich habe zwar auch Ballettschulen besucht, aber ich komme eigentlich, tänzerisch gesehen, eher aus Jugendzentren und Hinterhöfen, als aus der reinen Akademie. Da spielt, ob du Moslem oder Christ, Deutscher oder nicht Deutscher bist, schon mal sowieso gar keine Rolle. Man kommt dort eben zusammen und es geht nur darum, was man kann. Der kommerzielle Bereich hat ja mittlerweile auch viel aus dem urbanen Bereich übernommen und die Tänzerszene ist auch sehr multikulturell, denn dort geht es um Vielfalt und gerade im Beruf, wenn man von einer kommerziell gestalteten Show spricht, geht es um Diversity, darum Menschen zu haben, die verschiedenes ausdrücken und verschieden aussehen. Wo es aber interessanter wird, da du ja grade auch über das Modeln sprichst, da heißt es ja immer, dein Typ wird gesucht oder eben nicht. Was ich da so geil finde, ist, dass es als Typ schon reicht, dass man irgendwie Afro-­stämmig ist, dann ist man ein Typ. Ich wurde schon in die interessantesten Karteien gesteckt und dort mit Leuten zusammengefasst, die vermeidlich der gleiche Typ sind wie ich. Das soll mir bitte mal jemand erklären, wieso ich und diese Personen der gleiche Typ sind, so etwas würde man bei Weißen niemals tun. Man nimmt zwei weiße Frauen und die eine ist vielleicht ein filigraner, zierlicher Typ, blass, mit hellen Haaren und sieht aus wie eine Puppe. Dann nimmt man eine Zweite, diese ist vielleicht eher aschblond, mit einem Tick Rotstich in den Haaren, Sommersprossen und von der Ausstrahlung her eher Vamp mäßig als puppenhaft, bei diesen zwei weißen Frauen würde niemand sagen, dass sie der gleiche Typ sind. Aber bei Schwarzen ist es egal, wie dunkel oder hell die Hautfarbe ist, wie unterschiedlich die Figur ist, der Ausdruck im Gesicht, die Form der Nase, der Lippen, es kann ja alles total variieren, aber das spielt bei uns ja keine Rolle, ihr habt beide Locken und fertig! Da weiß ich manchmal auch nicht mehr was ich dazu noch sagen soll. Wenn man mich googlet, dann erscheinen natürlich nicht nur Bilder von mir, sondern auch von asiatischen Designern oder wie auch immer. Auf jeden Fall erscheint, wenn man mich googlet, bei einer der ersten Bilder, eine sehr dunkelhäutige Frau, mit schwarzen langen glatten Haaren und einem ganz anderen Gesicht als das meine. Es ist ein High­fashion Foto, auf dem eine Frau auf dem Rücken liegt und eine Brust frei ist. Ich hatte eine Anfrage für einen Job, ich wurde dann von dem Marketingchef angerufen und er sagte: „Sag mal Sophie, gibt es von dir eigentlich noch mehr Nacktfotos im Internet?“. Ich war total geschockt und sagte, dass es natürlich keine Nacktfotos von mir im Internet gäbe, habe über alle Fotos nachgedacht, die ich in meinem Leben gemacht habe und regte mich auf. Er meinte daraufhin, ich solle mich nicht aufregen, er würde mir das Foto morgen zuschicken. Dann habe ich mich selbst gegooglet und habe das Bild gesehen und habe es ihm geschickt, um zu fragen, ob er dieses Bild meinte. Er sagte: „Ja, das meine ich!“. Ich sagte: „Das bin ich nicht! Offensichtlich nicht!“. Er erwiderte: „Ja, sorry, das habe ich jetzt nicht so erkannt!“. Das sagt doch alles! Dieser Mensch hat mich vorher auch schon live in Person gesehen. Diese Geschichte steht einfach für alles. Also klar, in meinem Beruf spielt es auch eine sehr große Rolle!

 

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Glaubst du denn, dass es in deinem Beruf eher ein Vorteil ist, dass du eben so aussiehst?

Es ist ein Vorteil, weil ich es mir zum Vorteil mache! Anstatt dagegen zu kämpfen und mich aufzuregen, warum nicht auch mal eine schwarze Frau für Persil gecastet wird, nehme ich die Jobs an, auf die ich auch Lust habe. Wenn ich keinen Bock habe, mich in einer Gospelrobe ablichten zu lassen, dann tu ich das einfach nicht. Ich möchte nicht meine Energie damit verschwenden, mich über etwas aufzuregen, solange es nicht etwas offensichtlich rassistisches ist. Zwangsläufig hat es natürlich auch dazu geführt, dass ich mich eher auf das Tanzen konzentriere, weil es da eben eine kleinere Rolle spielt.

War das bei euch zu Hause eigentlich ein Thema?

Nein, eigentlich nie, aber im Nachhinein, jetzt wo ich erwachsen bin, sehe ich manche Dinge natürlich auch anders. Wenn ich z.B. an den 60. oder 70. Geburtstag meiner deutschen Großeltern denke… Da wurde groß gefeiert, mit vielen Leuten und da gab es dann natür­lich viele alte deutsche Leute. Dort gab es dann schon Situationen, wo es einfach anders war. Das sind aber Dinge. die werden mir jetzt erst bewusst, z.B. dass meine Mutter auch anders behandelt wurde und dass es im großen Kontext, außerhalb der gehüteten Familie, doch schon eine Rolle gespielt hat. Ich habe das aber alles erst verstanden, als ich älter war und meine Mutter dann darauf angesprochen und sie sagte mir, dass es natürlich nicht schön war, als schwarze Frau mit 3 schwarzen Kindern auf einer riesen großen Veranstaltung zu sein, auf der nur Weiße waren und dadurch dort die Attraktion zu sein und beäugt zu werden, wie das Tier im Zoo.
Außerdem auch noch dabei zusehen zu müssen, wie die eigenen Kinder von Arm zu Arm gereicht wurden und dann auch noch Fotos davon gemacht wurden, obwohl es noch zahlreiche andere weiße Kinder gab – Wie Zootiere!! Das war mir aber als Kind natürlich nicht bewusst.

Weißt du von eventuellen Problemen deiner Eltern, die sie durch ihre verschiedenen Herkünfte in ihrer Beziehung hatten?
Auch was Reaktionen von der Außenwelt angeht?

Dieses Beispiel was ich jetzt genannt habe, waren schon die Situationen, die am meisten Proble­me gemacht haben und auch am schmerzhaftesten waren. Wenn es auch noch Leute sind, die Freunde der Familie sind, dann ist es natürlich noch schwerer, weil es auch nicht so leicht zu verurteilen ist. Der Handlungsspielraum, wie man in diesem Moment damit umgeht, wird ja auch kleiner und verkrampfter. Wird man von Fremden so behandelt wird, dann ist das ja etwas ganz anderes, aber wenn es Leute sind, zu denen man irgendwie in Kontakt steht, dann wird es ja noch problematischer. Ich glaube, dass meine Eltern in solchen Momenten schon darunter gelitten haben, denn durch ihren Beruf, haben sie sich ja so extrem in ihrem Künstlerumfeld bewegt, mit Menschen, für die so etwas keine Rolle spielte, dass es im Alltag ja kein Problem war. Was mir aber beide berichten und das ist eher wieder auf den “positiven Rassismus” bezogen, dass man mit uns (mit meinen 2 Schwestern und mir) nicht in die Stadt gehen konnte, weil jeder Fotos machen wollte oder uns auf den Arm nehmen wollte, eben wieder dieser Zootiereffekt. Ihr wurden sogar mehrfach die eigenen Kinder von Fremden aus dem Arm genommen, das ist doch nicht normal! So etwas würde man doch bei Weißen niemals sehen, wenn du so etwas machen würdest, würden dich doch alle für verrückt erklären! Ich gehe doch nicht zu irgendwelchen weißen Frauen in der Bahn und nehme deren Kind auf meinen Arm, so etwas würde einem doch niemals einfallen. Und dann gibt es schwarze Babies und die Leute finden das einfach okay?! Das haben beide sehr viel erlebt. Sie haben ja beide in großen Häusern gearbeitet und sie konnten uns teilweise nicht mit in die Häuser nehmen, weil sie sonst nicht richtig weiter arbeiten konnten, da der gesamte Betrieb stehen geblieben wäre. Also das ist doch total irre! Absurd, wenn man darüber nachdenkt! Also das möchte ich wirklich mal sehen, wenn ich das oder ein schwarzer Mann bei einer weißen Frau machen würde, was dann los wäre?! Das ist doch genau das gleiche mit dem “ich fasse dir mal einfach so in die Haare Fall“. Einem fassen einfach wildfremde Menschen in der Bahn in die Haare, das ist doch nicht normal?! Wer hat denn Bock auf so etwas? Und woher nimmst du dir das Recht? Ich kann es verstehen und ich finde es auch okay, wenn jemand fragt, den man eventuell auch ein bisschen kennt, ob er meine Haare mal anfassen dürfte. Ich möchte vielleicht auch mal die Haare von einer Frau anfassen, deren Haare schön lang und dick sind. Das hat ja jetzt nicht nur was mit meiner Herkunft zu tun, aber das wildfremde Leute mir einfach in die Haare fassen, da kann ich mich nicht dran gewöhnen und das passiert mir schon mein ganzes Leben und ich habe mich nach wie vor nicht daran gewöhnt, weil es einfach nicht normal ist.

Du hast das Thema ja gerade schon angeschnitten, was fällt dir zu dem Begriff Haare noch ein?

Ich liebe meine Haare! Ich habe meine Haare immer geliebt! Vielleicht, weil sie als Identifika­tionsmerkmal als Creolin irgendwie stärker wirken, als meine Hautfarbe, da ich so hell bin. Ich verändere sie auch, variiere mit Farben, große Locken, kleine Locken, glatt, geflochten, aber meistens irgendeine Art von Locke, weil ich das eben schön finde. Gott sei Dank, kann ich das schön finden, dass hat definitiv etwas mit meiner Mutter zu tun. Sie wusste solche Haare zu bändigen, zu pflegen und zu stylen und hat uns beigebracht Schönheit in solchen Haaren zu sehen. Meine Mutter hat ihre Haare übrigens immer natürlich getragen und nie chemisch geglättet. Darauf bin ich richtig stolz und ich glaube, dass macht auch viel mit einem Kind. Heutzutage trägt meine Mutter Dreadlocks bis zum Po, richtig geil!

Kommen wir zu deinen Freunden, mit welchen Menschen umgibst du dich oder hast dich umgeben?

Ich hatte immer einen total multikulturellen Freundeskreis! Ich habe auch sehr viele schwarze Freunde! Meine männlichen Freunde sind total gemischt und die Mädchen, mit denen ich wirklich aufgewachsen bin und meine Jugend verbracht hab, sind alle schwarz. Mittlerweile ist es total gemischt, ich könnte nicht sagen, ob ich mehr schwarze oder mehr weiße Freunde habe. Was mir aber aufgefallen ist, ich habe verhältnismäßig wenige Freunde, die auch Mischlinge sind. Hier in meinem nahem Umkreis, gibt es da kaum jemanden, das kommt irgendwie jetzt erst. Ich habe wirklich viele schwarze Freunde und im End­effekt, vom Gefühl her, bin ich da ja auch nochmal anders. Das positioniert mich in Deutschland und innerhalb dieses Freundeskreises schon anders.

Ist das bewusst oder unbewusst, dass du von diesen Menschen umgeben bist?

Das weiß ich ehrlich gesagt nicht! Ich frage es mich wirklich selbst… Ich finde es schon auffällig, dass so multikulturell wie ich aufgewachsen bin und so multikulturell wie mein Freundeskreis auch ist, dass der enge Kern der Mädchen, mit denen ich wirklich aufgewachsen bin, nur aus schwarzen Frauen besteht. Alle sind schwarz und es ist kein Mischling dabei, das finde ich doch schon auffällig! Es könnte natürlich auch ein Zufall sein, weil ich noch genau weiß, wie sich dieser Freundeskreis aufgebaut hat. Die erste habe ich in der 5. Klasse kennengelernt und wir waren direkt ein Herz und eine Seele.

Warum? Hatte das einen bestimmten Grund?

Wir waren auf dem Gymnasium, wurden eingeschult und waren die einzigen schwarzen Mädchen in der ganzen Stufe. Da war es definitiv so, dass wir uns aufgrund unserer Herkunft angefreundet haben. Es ist ja klar, Jugendliche kommen in eine Klasse und dann suchst du dir eben deine Zugehörig­keit. Die einen kennen sich vom Fußballverein, bei den anderen kennen sich die Eltern, die einen waren Rocker, die anderen spielen Tennis und wir waren eben beide die Schwarzen.

Spielt das heute noch eine Rolle für dich?

Bei der Entscheidung, ob ich eine Freundschaft schließe oder nicht, spielt das für mich keine Rolle. Was ich aber zugeben muss, was ich auch nicht gerne zugebe, weil ich eigentlich von mir selbst den Anspruch gehabt hätte, dass Hautfarbe für mich selbst gar keine Rolle spielt: Wenn du schwarz oder Mischling bist, setzt das noch lange nicht voraus, dass wir Freunde werden, aber wenn wir connecten und uns verstehen, dann werden wir viel schneller eine Tiefe aufbauen, das ist einfach so! Ich werde viel schneller Türen aufmachen oder dir andere Türen schneller zeigen, weil ich weiß, dass du mich da verstehen musst oder nicht verurteilen wirst, als wenn du nicht schwarz oder ein Mischling bist. Ich würde sogar sagen, ich bin zwar mehr mit Schwarzen aufgewachsen, als mit Mischlingen, aber ich glaube das Mischlingskinder eine Verbundenheit haben, die zwar wie gesagt nicht voraussetzt, dass man eine tolle Freundschaft oder Beziehung hat, aber es gibt da so ein Grundschicksal und egal wie unter­schiedlich die Erfahrungen sind, die man gemacht hat, hat man dieses doppelte Herz und das haben alle. Was damit passiert und wie sich das auswirkt, das ist natürlich individuell, aber alle haben dieses doppelte Herz und das macht definitiv was in der Kommunikation und Verbindung. Ich date auch weiße Männer, aber es fühlt sich ganz bestimmt anders an, als wenn ich einen Mischling date, ganz bestimmt, 100 prozentig! Ich würde gerne behaupten, dass es nicht so ist, aber es ist so!

Dann lass uns doch direkt mal über deinen Männergeschmack sprechen…

Ich muss wirklich sagen, was das Visuelle angeht, wenn man sich die Männer anguckt die ich gedated habe, oder für die ich geschwärmt habe, in eine Reihe stellt, dann würdest du auf jeden Fall mehr schwarze/Mischlinge finden, aber du würdest auch Anderes finden. Also du findest auch jemanden mit blonden langen Haaren und blauen Augen und du findest auch einen sehr dunkelhäutigen oder einen sehr hellen Mischling, einfach ganz unterschiedliche Typen. Das waren alle ganz unterschiedliche Menschen. Bei all den Männern, die ich in den letzten Jahren so getroffen habe, ging es komischerweise nur bei denen wirklich in die Tiefe, die so waren wie ich, ohne das es mir bewusst war. Man findet sich irgendwie, ich kann auch gar nicht erklären warum das so ist, denn ich fühle mich gar nicht so als würde ich danach suchen.

Kann man allgemein sagen, dass du keinen bestimmten Typ hast?

Von der Ästhetik nicht, wobei (das hört sich jetzt etwas doof an), ich finde unsere Leute, egal in welchen Facetten sie kommen, Frauen und Männer, ich liebe diese Gesichter, ich liebe diese Körper, ich finde meine Schwestern und Brüder sind wunderschön. Egal ob Mischling, ob Viertel oder Achtel, Vollblut, ich finde wir sind ein wunderschönes Volk. Ich sehe da einfach soviel Schönheit, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich zu jemand weißen nicht hingezogen fühlen kann. Anscheinend gibt es aber noch andere Dinge als die Äußerlichkeiten, so eine Metaverbindung… Ich weiß nicht, irgendwie muss es ja einen Grund dafür geben, dass man sich immer wieder findet. Ich sage das so, weil ich das ja nicht nur von mir kenne, ich kenne viele Mischlingsjungs die auch immer nur mit Mischlingsmädels waren und umgekehrt. Ich weiß nicht, was man da sucht oder findet, dass es sich irgendwie doch immer wieder ergibt.

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Was glaubst du, wie das männliche Geschlecht auf dich reagiert?

Ich glaube, sowohl für weiße als auch schwarze Männer, bin ich visuell eine sexuelle attraktive Frau. Ich bin Tänzerin, ich fühle mich in meinem Körper wohl, ich bin auch ein sehr körperlicher Mensch. Ich mache viel Sport, ich rede mit meinen Händen, ich bin sehr im Kontakt mit meinem Körper, allein schon durch meinen Beruf. Ich glaube, dass jemand der richtig im Kontakt mit seinem Körper steht, auch gleich sexuell etwas anderes ausstrahlt. Gerade das ist etwas was mich total stört – bei weißen Männern. Ich finde, dass wenn du eine sehr feminine, sinnliche Frau bist und dann zufälligerweise noch Locken und dunkle Augen hast, dann wird mal leider in diesem Land ganz schnell mit Adjektiven betitelt, die ich so hässlich finde, dass ich sie kaum wiederholen möchte. Ich bin nicht rassig! Was soll das überhaupt sein? Wer will denn so betitelt werden? Wer möchte rassig oder exotisch sein? Das ist man hier ziemlich schnell und dann bin ich auch noch Tänzerin dazu, dann ist es ganz vorbei. Das ist etwas, was mir nicht passt, weil ich auch keine Lust habe, in Konse­quenz daraus, meine Sexua­lität oder meine Persönlichkeit, zu filtern und zurückzuschrauben, damit ich es meinem Umfeld angenehmer mache. Darauf habe ich keine Lust! Ich möchte, dass diese Klischees abgeschafft werden! Ich möchte nicht in meinem Kleidungsstil eingeschränkt werden, nur weil ich wohl möglich sonst ein Klischee damit bediene. Das ist natürlich auch ein Emanzipationsgedanke. Ich kann anziehen was ich will, ich kann sagen was ich will und wenn ich ein enges Kleid anziehen will, dann möchte ich die Möglichkeit das zu tun, ohne dass du das Gefühl hast ich würde damit suggerieren den wildesten Sex mit dir haben zu wollen! Oder ebenfalls der gleiche Gedanke, nur weil meine Haare lockig sind.

Beziehst du dieses Problem nur auf deine Herkunft?

Ich dachte zuerst immer, dass es ein weibliches Problem sei. Denn es gibt durchaus auch – das ist mir klar – deutsche Frauen die eine Persönlichkeit und Ausstrahlung haben, die die ähnliche Wirkung hat auf Männer. Aber mit Sexismus konfrontiert zu sein ist sowieso schon anstrengend und scheiße, ich möchte dann nicht noch einen rassistischen Hintergrund mit dazu haben. Es ist eben nicht nur das eine! Eine Frau als weibliches Individuum für dich so zu positio­nieren, dass du denkst, sie erfüllt all deine Fantasien und sie so als Projektionsfläche zu nutzen für deine eigenen Fantasien, das ist ja das Eine, aber wenn du das dann auch noch mischst mit Vorurteilen, dann hört es echt auf! Finde ich schwierig und es tut mir auch weh! Ich finde von allen Sachen, die mir im Sinne von Rassismus begegnet sind in diesem Land, ist dieses, das was bei mir am meisten kratzt. Ich möchte so sein, wie ich bin, ich möchte nicht weniger sein müssen, um nicht aufzufallen. Ich möchte laut sein, wann ich möchte, ich bin keine Bacardi-Werbung!

Wie ordnen die Menschen dich ein, wenn sie dir begegnen?

Also, ich glaube ich war irgendwie schon alles. Dadurch, dass ich sehr hell bin und je nachdem, wie ich meine Haare getragen habe. Das geht von Kasachstan, bis Indone­sierin, Phillipina und die Top 1 geht auf Brasilien, danach vereinzelt es sich auf Cuba usw. Was ich jetzt auch dazu sagen muss, das unterstelle ich jetzt einfach mal so, das würde den Leuten auch noch gut passen! Das fänden sie geil, wenn ich jetzt sagen würde, ich bin Brasilianerin, ich tanze Samba, komm doch mal vorbei ich tanze da vorne im Tanga rum! So etwas hätten die Leute gerne. Was auch so geil ist, es gibt kein Land, was mehr Gesichter hat als Brasilien, jeder könnte aus Brasilien kommen. Das ist ja das Absurde daran, dass Brasilien nicht mal ein Vorzeigeland für einen bestimmten Typ ist.

Welches Gefühl gibt dir das?

Also ich würde sagen mittler­weile gibt mir das gar kein Gefühl mehr, gerade weil es ja so eine Alltags­situation ist, das fliegt durch meinen Filter. Ich habe mich dazu entschieden, mich nicht daran aufzuhalten, dass ich aus Brasilien komme oder eben nicht und wie ich das finden soll, dass mir das unterstellt wird. Was klar ist, dass jemand der so eine Frage stellt und mich so in eine Schublade steckt, genauso von mir in eine Schublade gesteckt wird. Man stempelt mich ab und ich stemple dich dadurch auch ab, weil du denkst ja dann auch, dass der Vater meiner asiatischen Freundin Sextourismus betrieben hat. Wir haben dann nichts mehr zu besprechen. Das ist genau das, was meine Schwester eben meinte, ich kenne solche Leute nicht.

Wolltest du jemals anders sein?

Nein! Ich wollte vielleicht Mal meine Haare glatt haben, aber lustigerweise wollte ich sie nicht glatt haben, weil ich weißer aussehen wollte, sondern damit ich schwarzer aussehe. Völlig affig! Aber mit was sind wir groß geworden – Aaliyah war meine Heldin! Ich wollte, das meine Haare aus­sehen wie ihre. Dieser ganze Prozess – das Haareglätten – war für mich einfach ein Merkmal schwarzer zu sein. Ich wurde früher auch oft fertiggemacht und ausgelacht, von meinen schwarzen Freunden, weil ich so hell bin. Aber ich wollte eigentlich nicht großartig anders sein. Ich denke jedes Mädchen geht durch Phasen, wo irgendetwas anders aussieht, aber das hat in diesem Kontext nichts mit der Herkunft zu tun. Was aber das Schönheitsideal angeht, Schwarzsein entspricht meinem Schönheitsideal. Ich finde schwarze Frauen schön und deshalb finde ich mich auch selbst schön.

Wo fühlst du dich zugehörig?

Ich bin definitiv eine schwarze Frau, definitiv! Ich könnte mich niemals wie eine weiße Frau fühlen und es ist ja klar, dass ich das, mit meiner Mutter verknüpfe. Da identifiziere ich mich voll und ganz mit meiner schwarzen Seite. Als dieser Umschwung in der Pubertät kam, war es irgendwie auf einmal anders, was die Gesellschaft angeht. Wie gesagt, ich hatte viele schwarze Freunde, wenn du mit ihnen unterwegs bist, gehörst du für die Gesellschaft auch zu ihnen. Von diesen Freunden waren aber auch sehr viele Eltern gar nicht aus Deutschland und sie waren auch gar nicht hier geboren, ich aber schon. Im Gegensatz zu meinen Schwestern, bin ich (wahrscheinlich weil mein Freundeskreis so schwarz war und ich viel draußen rumgehangen habe und Polizisten ja sowieso ungern einen Haufen Jugendliche auf einmal sehen) in Extremsitua­tio­nen geraten, sowohl mit der Polizei als auch Nazis. Wir wurden von Nazis durch die Gegend gejagt oder einfach von der Polizei durch­­sucht, was mir, wenn ich nur mit meinen weißen Freunden unter­wegs gewesen wäre, wahrscheinlich nicht passiert wäre. Deswegen hatte ich aufgrund meines Freundes­kreises und der Situationen die ich dadurch erlebt habe, auch wirklich meine Schwierigkeiten, mich als Deutsche zu bezeichnen. Aber mit dem älter werden, als ich merkte, ich kann mehr deutsche Gerichte kochen als meine Freundin Anna-Lisa, ich kenne mehrere deutsche Autoren oder bin in deutscher Geschichte belesener, als manche meiner Mit­bürger, dann gebe ich das doch nicht einfach ab! Ich gehöre auch zu diesem Land! Wir gehören auch zu dem Bild dieses Landes dazu, das lasse ich mir nicht wegnehmen! Für diese Einstellung musste ich aber zuerst erwachsen werden. Ich fühle mich zugehörig wo es Schwarze gibt, weil ich einfach auch gelernt habe, dass es durch die Historie, durch Jahrhunderte von Kolonialisierung, Verschleppung und Versklavung, eine Zerrissenheit entstanden ist, die die schwarze Kultur so auseinander gerissen hat. Es gibt aber in der Mentalität und im Grundkonsens schon eine Ähnlichkeit, die vielleicht klein ist, da eine Person, die aus Äthiopien kommt, sicher eine andere Kultur hat als ein Mensch aus Ghana usw., aber es gibt irgendwo doch eine Ähnlichkeit und die spürt man, glaube ich, untereinander. Ich fühle mich aber auch diesem Land zugehörig und ähnlich wie bei meiner Schwester, ist mir das aber eigentlich nicht wichtig. Ich brauche das für meine eigene Identifikation in erster Linie nicht. In ethnischer Linie okay, aber Nationalität ist ja auch so etwas Gemachtes. So etwas gibt es ja eigentlich gar nicht. Das ist ja nicht nur in der heutigen Zeit total hirnrissig, wo wir uns durch das Internet sowieso schon total angleichen und verbunden sind, das war es auch schon vor 200 Jahren. Man kann doch nicht einfach irgendwo Grenzen ziehen, das funktioniert einfach nicht. Nationalität und Nationalgefühl sind in der Grundidee einfach schon schwachsinnig. Ich verstehe das, klar bin ich dadurch geprägt, dass ich hier aufgewachsen bin und einen deutschen Pass habe, natürlich macht das, etwas mit einem, aber ich identifiziere mich über andere Dinge. Ich identifiziere mich z.B. über meine Charakterzüge oder darüber, eine Frau zu sein. Da kommt dann bestimmt auch irgendwann noch dazu, dass ich Deutsche oder Europäerin bin, aber in der Prioritätenliste steht das auf jeden Fall nicht vorne.

Was bedeutet denn Deutschsein für dich?

Deutschsein bedeutet für mich, eine bestimmte Kultur zu haben und die habe ich auch und die hat für mich auch jeder Mensch, der hier lange lebt oder aufgewachsen ist. Das habe ich auch mit türkischstämmigen Deutschen gemeinsam. Du kannst nicht in Deutschland leben und nicht deutsch sein, würde ich mal behaupten, auch wenn manchen Leuten das nicht passt. Aber jeder nimmt deutsche Eigenschaften an, wenn man eben in diesem Land lebt. Ich habe nie das Gefühl ich muss mich da entscheiden, ich habe es einfach alles.

Was fällt dir zu diesen Wörtern ein: Mischling…

Das ist ein komisches Wort, es verletzt mich aber nicht, bescheuert finde ich es trotzdem. Aber alle anderen Wörter die ich so kenne, finde ich ehrlich gesagt auch nicht geiler. Afro deutsch – das klingt so möchte gern politisch korrekt. Halbblut, halbschwarz/weiß – ist irgendwie alles strange, da merkt man, dass das Thema noch ein totaler Krampf ist.

Und Neger?

Ich habe keinen Bock mehr darüber zu diskutieren, ob Weiße dieses Wort nun benutzen dürfen oder nicht, wie schlimm es ist und ob es zu dieser Zeit noch rassistisch gemeint ist oder nicht. Ich will nicht, dass man es verwendet und fertig! Das musst man nicht ver­stehen, man sollte sich nur einfach daran halten. Ende der Diskussion!

Nach deiner Reaktion zu urteilen, macht dieses Wort dich sehr wütend, warum?

Ich glaube, dass es keinem einzigen Schwarzen Menschen gefällt, von einer weißen Person als Neger betitelt zu werden. Ich persönlich habe nicht einen totalen Horror vor diesem Wort an sich, aber ich hasse es, dass Leute damit in der Gegend rum werfen, ohne zu verstehen, was sie da sagen, wer es sagt und zu wem. Man muss sich nur einen 150 Jahre alten Duden schnappen, da wird der Neger als menschenähnliches Wesen beschrieben, was nicht besonders emotional ist, kaum weint, sehr tüchtig und stark ist, robust, selten krank wird, und affen­ähnlich daherkommt. Das denke ich mir nicht aus, das kann jeder nachschauen! Und man kann sich auch nur 80 Jahre alte Zirkuswerbungen anschauen, wo man sich “schöne Negerinnen” betrachten kann. Ist den Leuten, die mich aus „Spaß“ Neger nennen, das bewusst? Selten! Deswegen regt es mich auf. Du hast vergessen! Ich nicht! Meine Uroma lebte noch in einem Land, in einer Zeit, wo du Sklaven auf Märkten kaufen konntest, und diejenigen, die wegliefen, wurden aufgehan­gen. Für mich ist das nicht so unendlich weit weg. Ich bin eine Tochter von Sklavinnen und Sklaven, das passt mir nicht, aber das ist leider so. Das ist eben die Geschichte, die hat Wunden in meiner geliebten Kultur hinterlassen. Deshalb muss man da nicht auch noch mit dem Wort Neger drin rum bohren.

Abschließend noch eine Frage an dich: Empfindest du deine Herkunft als Bürde oder als Segen?

Segen zu 100%! Ich glaube nicht an Bürden, ich mache alles zu meinem Segen! Jeder krasseste Nachteil ist mein Segen, weil mich das doch einzigartig macht! Ich bin dankbar für das was ich bekomme! Ich glaube einfach nicht an Bürden.

 

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Vielen Dank für deine ehrlichen Worte Sophie!

Wer mehr von Sophie’s schönem Gesicht sehen will oder über sie erfahren möchte, findet sie unter:
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  1. portablemagicpages
    December 12, 2016

    Ein super schöner Blog, ein super spannendes und wichtiges Projekt und ein wundervolles Interview. Danke für die großartige Arbeit :) Liebe Grüße aus der Hauptstadt.

    Reply
    • positiv / negativ
      January 12, 2017

      Ein ganz liebes Dankeschön an dich <3

      Reply
  2. Michel
    December 19, 2016

    Großartiges, offenherziges Interview. Danke!

    Reply

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